Grundlagen

Verfahrensvarianten

Allgemein besteht das Drehfräsen aus einer Kombination eines langsam rotierenden Werkstücks mit einem vergleichsweise schnell rotierenden Fräswerkzeug. Die Schnittbewegung wird nahezu ausschließlich vom Fräswerkzeug erzeugt, während die Rotation des Werkstücks als Vorschubbwegung angesehen werden muß. Die Bewegungen der Linearachsen der Werkzeugmaschine stellen keine Vorschub- sondern Zustellbewegungen dar. Nach Schulz können zwei grundlegende Verfahrensvarianten unterschieden werden, das orthogonale und das achsparallele Drehfräsen. Zwischen den beiden Extremfällen der Achsstellung sind beliebig viele Zwischenzustände denkbar, mit denen z.B. kegelförmige Geometrieelemente hergestellt werden können.

Orthogonales Drehfräsen
Achsparalleles Drehfräsen

Beiden Verfahren sind Einschränkungen der herstellbaren Formenvielfalt gemeinsam. So eignet sich das orthogonale Drehfräsen im wesentlichen nur für die Herstellung langer wellenförmiger Werkstücke wie z.B. von Druckmaschinenwalzen. Entsprechende Spezialmaschinen hierfür sind schon seit längerem erfolgreich im Einsatz. Das achsparallele Drehfräsen erlaubt etwas komplexere Formelemente. Sollen sie jedoch unter wirtschaftlichen Bedingungen gefertigt werden, ist analog zur profilierten Schleifscheibe der Einsatz von speziellen Formfräsern notwendig. Beide Verfahren besitzen also im Vergleich zum Drehen eine eingeschränkte Flexibilität. Ihre Stärken können sie erst dann entfalten, wenn Werkstücke nicht mehr durch Drehen gefertigt werden können, beispielsweise unrunde Formen. Vorteile ergeben sich auch dann, wenn die Drehfräsmaschine mit ihren zusätzlichen Möglichkeiten für die Komplettbearbeitung genutzt wird.

Achsparalleles Drehfräsen

Das achsparallele Drehfräsen muß nach DIN 8589 dem Rund- oder Zirkularfräsen zugeordnet werden und ist meist mit ihm vollständig identisch. Die besondere Bezeichnung wird aber weiterhin beibehalten, da für bestimmte Verfahrensvarianten, wie das von Daniel untersuchte Drehfräsen mit gesteuerter Schnittüberdeckung, erhebliche Unterschiede zum traditionellen Rundfräsen bestehen. Da im weiteren Verlauf nur noch das achsparallelen Drehfräsen Gegenstand der Betrachtungen ist, werden die Begriffe Drehfräsen und achsparalleles Drehfräsen im weiteren als Synonyme benutzt.

Kinematik

Die Oberflächenstruktur eines drehgefrästen Bauteils weist ein spitzkämmiges Profil auf, wie sie für umfangsgefräste Werkstücke typisch ist. Da die Flugbahn der Werkzeugschneide eine umgekehrte Krümmung wie der Zylinder des Werkstcks aufweist, fallen nicht nur die Oberflächenkennwerte sondern auch der optische Eindruck relativ schlecht aus. Die Maßnahmen zur Erhöhung der Oberflächengüte bestehen darin, die Zahl der Schneideneingriffe auf dem Umfang des Werkstücks zu erhöhen. Daniel führt drei Möglichkeiten auf:

  1. Erhöhung des Drehfrequenzverhältnisses,
  2. ungesteuerte Schnittüberdeckung und
  3. gesteuerte Schnittüberdeckung.

Von diesen Varianten entspricht die erste der konventionellen, vom Fräsen her bekannten Strategie, den Zahnvorschub bzw. die Vorschubgeschwindigkeit zu verringern. Die Erhöhung von wird durch eine Absenkung der Drehfrequenz des Werkstücks erzielt. Als Alternative die Drehfrequenz des Werkzeugs zu steigern, ist meist nicht möglich. Die damit einhergehende Erhöhung der Schnittgeschwindigkeit führt z.B. oft zu verstärktem Werkzeugverschleiß.

Bei der ungesteuerten Schnittüberdeckung wird ausgenutzt, daß das Werkzeug nach einer Umdrehung des Werkstücks erneut über die schon einmal bearbeitete Oberfläche bewegt wird. In der Regel werden die Einschnitte der Schneide nicht mehr exakt an der gleichen Stelle erfolgen wie eine Werkstückumdrehung zuvor. Durch die Abtragung der stehengebliebenen Rauheitsgipfel wird die Oberflächengüte verbessert. Wartet man eine genügend große Anzahl von Werkstückumdrehungen - sog. Verweilumdrehungen - ab, wird sich die Oberfläche allmählich der angestrebten Qualität nähern.

In der Praxis ist die Anwendung dieser Methode jedoch problematisch, da der Prozeß zunächst stochastischer Natur ist. Je nach Stellung der Rotationsachsen von Werkzeug und Werkstück kann die Schneide auch wieder an den gleichen Stellen wie zuvor eingreifen, so dass keine Verbesserung erzielt wird. Folglich ergeben sich unverhältnismäßig lange Wartezeiten bis eine sichere Einebnung der Oberfläche stattgefunden hat. Außerdem ergibt sich eine große Streuung der Oberflächenkennwerte nicht nur von Werkstück zu Werkstück sondern auch auf dem Umfang eines einzelnen Bauteils.

Gesteuerte Schnittüberdeckung

Ein Ausweg ist die gesteuerte Schnittüberdeckung. Sie stellt eine Übertragung des Schleppschneidenkonzeptes von Sorge auf das achsparallele Drehfräsen dar. Dazu sieht man eine Zwangskopplung zwischen den beiden Rotationsachsen vor. Von Daniel wird für diese, von ihm als Synchronisation bezeichnete Kopplung, ein elektronisches Getriebe benutzt, das die Winkellage des Fräswerkzeuges gemäß eines (beinahe) frei programmierbaren Verhältnisses auf die Winkellage des Werkstücks einregelt. Sorgt man dafär, daß das Drehfrequenzverhältnis nicht ganzzahlig sondern gebrochen rational wird, werden die zufallsbedingten Fehler der ungesteuerten Schnittüberdeckung vermieden und es wird eine zwangsläufige Einebnung der Oberfläche erzielt. Die Kopplung der Achsen kann auch mechanisch durch ein Getriebe erfolgen. Das Drehfrequenzverhältnis ist dann jedoch fest durch dessen Übersetzungsverhältnis vorgegeben.

Wirkungsweise der gesteuerten Schnittüberdeckung

Die Arbeitsweise der gesteuerten Schnittüberdeckung ist aus dem Bild ersichtlich. Dargestellt ist die Flugbahn der Werkzeugschneide relativ zum dem als ruhend gedachten Werkstück. Im gezeigten Beispiel greift die Schneide während eines einzelnen Umlaufs um das Werkstück nur vier mal in das Werkstück ein. Bei einer Außenbearbeitung geschieht dies an den inneren Stellen der Flugbahn, bei einer Innenbearbeitung an den außenliegenden. Da das Drehfrequenzverhältnis nicht exakt ganzzahlig ist, tritt die Schneide während des nachfolgenden Umlaufs um das Werkstück nicht wieder an den gleichen Stellen in dieses ein. Dieser Winkelversatz läßt neue Einschnitte entstehen. Erst nach dem zweiten Umlauf schließt sich die Zykloidenbahn der Schneide und die Bearbeitung ist beendet. Im allgemeinen sollte das Drehfrequenzverhältnis gebrochen rational sein, d.h. als Bruch schreibbar sein.